Es begann vor drei Tagen. Es war ein trüber Dezembermorgen und irgendein Typ namens El Ninjo hatte dafür gesorgt, daß es selbst für den obligatorischen Schneematsch viel zu warm war. Der Gedanke, daß die Polkappen bald schmelzen würden wie die Eisklumpen in einem Glas JimBeamonthe Rocks, das man neben einem Hochofen vergessen hatte, konnte meine Vorweihnachtsdepressionen genauso wenig mindern, wie der Umstand, daß meine Detektei alles andere als Hochkonjunktur hatte. Meine Auftragslage hatte sich dramatisch verschlechtert, seit ich den Pudel der alten Dame wiedergefunden hatte. Das war Ende August. Das einzige was mein Briefkasten zwischen die Zähne bekam, waren Rechnungen, Postkarten mit weihnachtlichen Motiven, die einen dazu aufforderten, angemessen großzügige Geldbeträge einer beliebigen karitativen Einrichtung zukommen zu lassen und die üblichen Speisekarten der ansässigen Pizzataxi – Unternehmen. Vielleicht suchen die ja noch nen Fahrer, dachte ich mir.

 Eigentlich hätte ich Stella, meine treue Sekretärin, entlassen müssen. Die Arme hatte schon seit zwei Monaten kein Geld mehr gesehen. Sie blieb aus reiner Nächstenliebe bei mir.

Normalerweise würde ich jetzt davon erzählen, was für eine rassige, blonde Schönheit meine Stella ist; mit einem Vorbau, auf dem man ein Glas JohnnyWalker abstellen kann. Ihre Hornbrille paßte so hervorragend zu ihrem roten Schmollmund wie das Lächeln zur Mona Lisa. Aber eigentlich war ich zu sehr mit meinen Grüblereien beschäftigt, um das zu bemerken. Und da es sich hier um eine Weihnachtsgeschichte handelt, stelle ich lieber Ihre Nächstenliebe in den Mittelpunkt. Stella war übrigens der Meinung, ich hätte ein Alkoholproblem. Zu oft würde ich Metaphern mit alkoholischen Getränken benutzen. Von Berufsethos hatte sie offenbar keine Ahnung. Gut, ich trank hin und wieder ein Gläschen. Aber ich hatte nie Metaphern mit alkoholischen Getränken benutzt. Ich hielt nichts von Drogen, und so was wie Metaphern kamen mir nicht ins Glas. Ich nahm ihr nicht übel, daß sie heimlich Einladungen der Anonymen Alkoholiker auf meinen Schreibtisch schmuggelte, die ich heimlich in meinem Papierkorb verschwinden ließ. Mit solchen Aktionen mußte man rechnen, wenn man eine Sekretärin hatte, die vier Semester Psychologie in der Abendschule absolviert hatte. Ich fragte mich manchmal, ob sie auch Kurse in Leibesübungen belegt hatte...

Jedenfalls war ich ziemlich betrübt an diesem Morgen des 21. Dezembers. Ich füllte den kleinen Napf meines Papageis lustlos mit seiner Tagesration „Old Scotch“ und wollte gerade auch meinen Napf mit meiner Morgenration „Old Scotch“ füllen, als das Telefon klingelte.

Das machte mir ziemlich direkt bewußt, daß ich mir gestern mindestens eine Wochenration des edlen Stoffs zugeführt hatte. Mein Kopf fühlte sich an wie eine Wassermelone in einem Schraubstock. Ich warf zwei Aspirin in meinen Napf und verdünnte sie mit etwas „Old Scotch“. Da Stella offenbar damit ausgelastet war, nicht ans Telefon zu gehen (wer konnte es ihr verdenken) griff ich selbst nach dem Hörer, um dem mantraartigen Klingeln den Garaus zu machen. Ich hoffte, daß der am anderen Ende der Leitung meinen Namen inmitten meines spontanen Anfalls von Raucherhusten verstand. Eine kurze Pause.

„Ist dort die Privatdetektei Luca?“

Ich überlegte kurz. „Ja.“

Der Mann am anderen Ende hatte eine angenehme, tiefe Stimme. Einen Moment lang bildete ich mir ein, frischgebackene Plätzchen duften zu hören. Ich meine natürlich, zu riechen. Mann, hatte ich einen Kater.

 Die angenehme Stimme machte wieder eine kleine Pause. Nicht eine von diesen unangenehm berührten Pausen, so als ob meine Whiskyfahne gerade durch sein Ende der Leitung gekrochen sei. Nein, es war eine nette, bedächtige Gesprächspause. Fast feierlich.

„Mein Name ist Santana. Herr Luca, sie wurden mir als fähiger Privatdetektiv empfohlen. Ich fragte mich, ob sie es einrichten könnten, mich heute zu treffen. Es geht um einen äußerst wichtigen Auftrag.“

 

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